Sonntag, 17. Mai 2015

Irgendwer 'n Würstchen?

Nach einer doch relativ langen Zeit mal ein kurzes Lebenszeichen: Ja, uns gibt es noch! Die vergangenen Tage haben wir in der Nähe des Inle Lakes auf einem Weingut verbracht (davon gibt es im gesamten Land beeindruckende zwei). Und weil das von zwei Deutschen betrieben wird, mache ich darüber einen Film. Ich habe also wieder viel gefilmt und gar nicht fotografiert, bis auf einen Schnappschuss mit dem Handy:



Anschließend ging es mit einem wirklich ziemlich komfortablen Reisebus in bescheidenen elf Stunden in die Millionenmetropole Yangon. Bis 2005 war Rangun, so der deutsche Name, sogar die Hauptstadt Myanmars wurde dann aber durch Naypyidaw abgelöst und das ist eine wirklich skurrile Geschichte. Die neue Hauptstadt wurde nämlich von der Militärjunta aus dem Boden gestampft, weil ein Astrologe dem damaligen Präsidenten dazu geraten haben soll. Auf einer Fläche achtmal so groß wie Berlin entstand in Rekordzeit eine Retortenstadt mit kolossalen Neubauten, 16 spurigen Straßen und so ziemlich allem, was eine moderne Metropole auszeichnet - bis auf eine Ausnahme: Menschen. Lest euch dazu einfach mal diesen kurzweiligen Zeit-Artikel durch und staunt.

Aber zurück nach Yangon. Die Stadt wirkt überraschend modern und dadurch in weiten Teilen auch ganz anders wie der Rest des Landes. Aber zwischendrin gibt es natürlich auch immer wieder den typisch asiatischen Wahnsinn mit Trödelläden, Garküchen und Essensständen mit bizarren "Lebensmitteln".


 

Ein weiterer Unterschied zwischen Yangon auf der deinen und dem Rest Myanmars auf der anderen Seite findet sich im Detail. Der Birmese an sich hat ein großes Faible für Plastikstühle. Das kann man durchaus so plump behaupten, denn die finden sich wirklich überall. Seltsamerweise fallen die die in Yangon eine Nummer kleiner aus als andereswo. Vielleicht ist es einfach dem Umstand geschuldet, dass es in dieser Millionenstadt sehr eng ist - so gesehen wieder eine ziemlich pragmatische Lösung - aber irgendwie sieht es dann doch so aus, als wenn die Bewohner der Hauptstadt fortwährend "Besuch im Puppenhaus" spielen.



Kommen wir zu einem weniger erfreulichen Thema: Infektionen! Eine ziemlich miese habe ich mir nämlich in dem kleinen Zeh meines rechten Fußes eingefangen. Vor rund zwei Wochen habe ich mir in einem Tempel die Zehe blutig gestoßen. Statt zu verheilen wurde der Zeh aber dick und eitrig, sehr schmerzhaft und sah irgendwann aus, wie eine geplatzte Cocktailwurst (Fotos erspare ich euch). Zwischenzeitig hatte ich in Bagan sogar mal etwas Fieber, das ging dann aber wieder weg. Als es dann hier in Yangon aber wieder schlimmer wurde, war klar, dass ich zum Arzt muss. Wir hatten schon die Adresse einer internationalen Praxis rausgesucht, zu der wir am nächsten Tag fahren wollten, als wir beim abendlichen Spaziergang durchs Zentrum eine ganz interessante Entdeckung machten. An einer etwas heruntergekommenen Apotheke hingen eine ganze Reihe von Schildern mit Arztnamen (das ließ zumindest die Vielzahl der "Dr." vor den Namen vermuten). Dann fielen uns die vielen kleinen Holzverschläge mit schäbigen Vorhängen aus, vor denen Menschen auf langen Holzbänken warteten. Und plötzlich war uns klar: Das ist keine Apotheke, das ist eine Arztpraxis. Nur wenige Minuten später saß ich in einem der drei Quadratmeter großen Holzkabuffs.



Auf den Bildern sieht man übrigens auch ganz gut die Gesamtheit der vorhandenen medizinischen Geräte (wofür auch immer der Topf gut sein mag). Die Ärztin war zwar nett, ihr englisch aber sehr brüchig. Mit Händen und Füßen, ach quatsch: Mit dem Fuß haben wir dann das Problem verdeutlicht und zack hat sie mir Antibiotika, Schmerzmittel und eine dritte Sorte Pillen verschrieben, von denen ich bis jetzt noch nicht weiß wofür die eigentlich sind. Alles zusammen mit Arzthonorar hat mich das umgerechnet 9,60 € gekostet (witzig ist, dass man hier übrigens nie eine ganze Packung an Tabletten bekommt, sondern immer nur so viele, wie man auch nehmen soll. Da wird die richtige Menge einfach mit einer Schere zurechtgeschnitten; auch Pflaster werden immer einzeln verkauft). Auf jeden Fall habe ich die Tabletten jetzt einen Tag genommen und siehe da: Die Cocktailwurst ist schon wieder zu einer Zehe mit einer gewöhnlichen Wunde geworden.

Heute hatten wir dann zum ersten Mal während unserer Reise eine Begegnung mit unserer deutschen Vergangenheit. Als wir unserem Taxifahrer sagten, dass wir aus Deutschland kommen, setzte das bei ihm ganz offensichtlich eine ganze Kette an Assoziationen frei: "Ah Germany, Gerhard Schröder, Helmut Kohl, makes two Berlin to one Berlin. Helmut Schmidt and - do you know Hitler?" Als wir sagten, ja, der sei uns durchaus ein Begriff, fuhr er fort: "Oh Hitler, no good. Kill so many people. No good, you know?". Wo wir gerade beim Thema sind: Sucht noch jemand nach einem "originellen" Fußbodenbelag für seine neue Wohnung? In Yangon könntet ihr fündig werden.



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